Vor einigen Jahren hätte ich mir nicht vorstellen können, wie sehr das Leben von Angehörigen durch Angst- und Zwangsstörungen geprägt sein kann. Doch durch mein Ehrenamt in der Selbsthilfe für Angehörige psychisch erkrankter Menschen habe ich gelernt, wie vielseitig die Herausforderungen sind, denen Angehörige gegenüberstehen. Die Geschichten, die ich höre, sind geprägt von Liebe, Geduld, aber auch von Ohnmacht und Erschöpfung. Und immer wieder zeigt sich: Unterstützung, Wissen und Selbstfürsorge sind Schlüssel, um diesen Weg zu meistern.

Die Unsichtbarkeit der Krankheit

Angst- und Zwangsstörungen sind oft schwer zu erkennen. Außenstehende sehen vielleicht nur jemanden, der übervorsichtig oder perfektionistisch wirkt. Doch dahinter steckt oft ein ständiger Kampf mit quälenden Gedanken und Ängsten, die den Alltag bestimmen. Angehörige erzählen mir immer wieder, wie schwierig es ist, diese unsichtbare Last zu verstehen – oder anderen zu erklären, warum ihr Partner oder Kind bestimmte Dinge „nicht einfach lassen kann“.

Herausforderungen im Alltag

Eine der häufigsten Rückmeldungen, die ich höre, ist das Gefühl der Überforderung. Viele Angehörige berichten: „Ich möchte helfen, aber ich weiß nicht wie“ oder „Ich habe das Gefühl, die Krankheit kontrolliert uns alle“. Die Zwänge oder Ängste eines geliebten Menschen können den Alltag erheblich beeinträchtigen, sei es durch aufwendige Rituale oder durch Vermeidung bestimmter Situationen. Dabei geraten Angehörige oft selbst in einen Kreislauf aus Frustration, Sorge und manchmal auch Schuldgefühlen.

Was wirklich hilft

Es ist wichtig, zuzuhören und präsent zu sein, ohne die Krankheit aktiv zu unterstützen. Das bedeutet, klare und liebevolle Grenzen zu setzen. Zum Beispiel sollten Angehörige nicht bei Kontrollritualen mitwirken, sondern sanft darauf hinweisen, dass sie dies nicht fördern möchten. Stattdessen können sie gemeinsam mit dem Betroffenen nach Alternativen suchen. Dieser Balanceakt zwischen Mitgefühl und Selbstschutz ist nicht einfach, aber essenziell.

Die Bedeutung von professioneller Hilfe

Eine zentrale Botschaft, die ich immer wieder vermittle, ist: Angehörige können keine Therapie ersetzen. Aber sie können eine entscheidende Rolle spielen, indem sie Betroffene ermutigen, Hilfe anzunehmen. Besonders bei Angst- und Zwangsstörungen sind Therapieansätze wie die kognitive Verhaltenstherapie oft sehr hilfreich. Viele Betroffene haben Angst vor Stigmatisierung oder scheuen den ersten Schritt. Hier können Angehörige unterstützend wirken – geduldig, beharrlich und verständnisvoll.

Selbstfürsorge ist unverzichtbar

In unserer Gruppe reden wir oft darüber, wie wichtig es ist, auf sich selbst zu achten. Wer ständig nur für andere da ist, läuft Gefahr, selbst auszubrennen. Pausen, Hobbys und der Austausch mit anderen Angehörigen sind keine Luxusgüter, sondern Notwendigkeiten. Sich selbst Zeit zu nehmen, ist kein Zeichen von Egoismus, sondern eine Voraussetzung, um langfristig unterstützen zu können.

Gemeinsame Fortschritte feiern

Es sind oft die kleinen Schritte, die einen großen Unterschied machen. Ob es der Mut ist, eine beängstigende Situation anzugehen, oder der Verzicht auf ein Ritual – solche Erfolge verdienen Anerkennung. Angehörige können dabei helfen, diese Fortschritte sichtbar zu machen und zu feiern. Das schafft Zuversicht und motiviert für den weiteren Weg.

Hilfe und Austausch finden

Wenn Sie als Angehöriger Unterstützung suchen, stehen Ihnen zahlreiche Möglichkeiten offen. Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen und Online-Ressourcen können wertvolle Hilfe bieten. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Der Austausch mit anderen Angehörigen wirkt oft wie ein Befreiungsschlag. Sie sind nicht allein, und gemeinsam ist dieser Weg leichter zu bewältigen.

Nützliche Links

Denken Sie daran: Es gibt immer Hoffnung, und Sie sind nicht allein.